Persönliches
Artikel: Um 05:00 ist die Welt noch in Ordnung
»Fünf Uhr?«. Für die einen ist diese Uhrzeit erzwungene Routine, für die anderen unvorstellbar. Ein Erfahrungsbericht über das frühe Aufstehen – ob am Wochenende, an Feiertagen, im Urlaub oder selbstverständlich unter der Woche.
Samstagfrüh. An die Sonne ist in den Wintermonaten nicht einmal zu denken, selbst viele Hundebesitzer:innen (insbesondere ihrer Hunde) sind froh, noch nicht aufstehen zu müssen. Einige Arbeiter:innen sind bereits aktiv und fleißig – in aller Regel, weil sie müssen. In etwa 3-4 Stunden werden die Freunde von frischen Backwaren ihren Weg zur nächsten Bäckerei bestreiten, um die Familie mit Frühstück zu versorgen. Zu einer Uhrzeit, wo man zu guten Zeiten noch dem feiernden Volk begegnen kann, habe ich mich für die beste Tätigkeit entschieden, die mir je in den Sinn kam: Aufstehen. Jeden Tag. Egal ob Urlaub, Wochenende oder deutlich vor der Arbeit.
Ich habe noch nie gerne sehr lange geschlafen. Seit mehreren Jahren stand ich am Wochenende zwischen 07:00 und 08:00 Uhr auf, werktags entsprechend früher. Das Gefühl, freiwillig vor vielen anderen aufgestanden zu sein, ist positiv. Man fühlt sich auf selbstgefällige Art erhaben über den noch frühen Tag. Wer zudem ein Freund von natürlicher Atmosphäre ist, kann einen Spaziergang zu dieser Uhrzeit sehr schätzen lernen.
Im Laufe der Zeit kam der Drang nach einer ausgeprägteren Morgenroutine auf. Warum eigentlich? Die (nicht nur zu Pandemiezeiten) omnipräsente Antwort »Self-Care« fasst das Thema zu kurz. Hal Eldrod beschreibt in seinem Buch »Miracle Morning«, dass der gesamte Tag so verläuft, wie die erste Stunde des Morgens. Und die beginnt bei mir seit einigen Monaten um 05:00. Uhr Zeit, sich in eine positive Stimmung zu bringen.
Fünf Uhr ist für mich ein guter Kompromiss aus frühem Aufstehen und gleichzeitig genug Zeit am Abend. Doch nicht jeder Tag im Leben verläuft immer nach dem gleichen Schema – Geburtstage, Treffen und Freunden und andere Unternehmungen müssen ebenfalls ihren Platz finden. Die wichtigste Regel ist hier, eine selbst festgelegte Schlafzeit nie zu unterbieten. In meinem Falle sind sechs Stunden die absolute Untergrenze. Falls der Abend doch länger werden sollte, steht man entsprechend später auf – wer um 02:00 ins Bett geht und somit um 08:00 aufsteht, ist immer noch reichlich früh unterwegs. Diese Ausnahmen sollte man sich jedoch für Geselligkeit aufsparen, und nicht etwa für die »Revenge Time Procrastination« – also dem trotzigen Verlängern der Abendstunden, weil man eigentlich gerne mehr Zeit hätte. Natürlich sind die sechs Stunden das Minimum – auf Dauer benötigt der Körper selbstverständlich mehr Schlaf, um ausgeruht und entspannt zu sein.
Die größte Schwierigkeit ist gleichzeitig das einfachste Mittel dagegen: Seine neugewonnene Freizeit (»Quality Time«) so einzuplanen, dass man sich jeden Morgen darauf freut. Genau wie im restlichen Tagesablauf hat jede:r individuelle Präferenzen. Der kleinste, gemeinsame Nenner und ein erstrebenswertes Ziel sind vermutlich Ruhe und ein starker Fokus für den Tag. Hat man dies verinnerlicht, kann die Gestaltung der individuellen Morgenroutine Form annehmen. In meinem Fall bedeutet dies (nach der morgendlichen Pflegeroutine): Ein warmes Glas Wasser / Tee trinken, 10 Minuten meditieren, etwa 20 Minuten lesen (tagesabhängig DIE ZEIT oder ein Buch meiner Wahl), eine kurze Reflexion des vergangenen Tages sowie – tageweise wechselnd – eine 20 minütige Yoga-Einheit, eine Stunde im Fitnessstudio oder Haushalt. Letzteres spart einem auch Zeit am Abend ein. Abzuraten ist während der Morgenroutine die Nutzung von Smartphone, Tablet oder Notebook zum Internetsurfen oder soziale Medien – der Fokus soll am Morgen positiven Dingen gewidmet werden, und nicht den Sorgen und Problemen anderer. Dafür ist am restlichen Tag noch genug Zeit.
Doch warum funktioniert all das vor sechs Uhr so gut? Nicht zu vernachlässigen ist das Gefühl, sich disziplinierter als die anderen Mitmenschen zu fühlen. Wenn die meisten noch schlafen, man selbst aber bereits aktiv ist – so unkollegial es klingen mag – fühlt man sich ein kleines bisschen besser. Zumindest in der Disziplin am Morgen. Der wesentlich wichtigere Faktor dürfte jedoch sein, dass die morgendlichen Gedanken nicht von Sorgen und negativen Gedanken des Alltags eingenommen werden, wofür nicht wenige Menschen anfällig sind. Wem es gelingt, die erste Stunde nach dem Aufstehen für absolut positive Dinge zu nutzen, wird merken, wie sie sich den ganzen Tag über im Kopf halten. Dennoch: Die ersten 3-4 Wochen sind anstrengend. Aber: Wie auch im »Miracle Morning« beschrieben ist: Nur der Durchschnitt drückt auf die Snooze-Taste. Wir wollen aber überdurchschnittlich aufstehen. Guten Morgen!